Samstag, 7. März 2015

Sklaverei des Schmutzes

Zitat aus dem wunderbaren Buch "Glückskind" von Steven Uhly:

"Eine saubere Wohnung ist ein guter Rückhalt für alles, was man draußen erledigen muss".

Ich kann dem zustimmen. Für mich jedenfalls stimmt die Aussage.

Was aber ist eine saubere Wohnung? Wie viel muss man putzen und aufräumen, um eine saubere Wohnung zu haben? Muss man sich zum Sklaven des Staubes und des Schmutzes machen? Ich rufe ein entschiedenes NEIN! Doch seht her, was ich zu erzählen habe:
Meine ehemalige Nachbarin Roswitha war mir ein Vorbild, wie ich es nie machen will und ich konnte anfangs nicht glauben, was sie macht. (Und glaub mir: Die Geschichte ist wirklich wahr!!! Ich schwöre beim Staub meines Bücherregals!)

Roswitha hatte einige Marotten. Zum Glück haben wir zwar neben ihr, aber nicht in demselben Haus gewohnt. Die schwäbische Kehrwoche mussten wir also nicht mit ihr aushandeln. Aber ihre Marotten haben wir täglich miterlebt. Mit der Zeit haben wir uns an die Marotten von Roswitha gewöhnt. Waren ja nicht schlimm, denn wir hatten sie ja nicht selbst, sondern waren nur stille Beobachter. Das Gute an einer ihrer Marotten war, dass wir immer wussten, wann es anfängt zu regnen. Dann hat nämlich Roswitha alle Rolläden runtergelassen. Sie hat das getan (und tut es bestimmt heute immer noch), damit kein einziger Regentropfen an die Scheiben kommt. Wir wussten auch immer, wann der Regen wieder aufgehört hat, nämlich dann, wenn Roswitha die Rolläden wieder hochgezogen hat. Roswitha war Meisterin ihres Faches und sehr schnell. Ganz sicher war sie sich ihrer Sache allerdings nie. Sie hat deshalb nach dem kleinsten Regen überprüft, ob nicht doch ein paar Regentropfen an Ihre Scheiben gelangt sind. Sie ist also auf die Terrasse gegangen, hat sich auf den Boden gelegt (um eventuelle Spiegelungen zu umgehen) und hat jedes Fenster einzeln überprüft und bei Bedarf umgehend die Tropfen weggeputzt. Dann wieder auf den Boden und prüfen, ob nicht doch eine klitzekleine Schmierspur zu sehen ist und bei weiterem Bedarf nochmal nachputzen. Es war immer ein Schauspiel von mehreren Stunden.

Von ihren Fenstersimsen hätte ich jederzeit direkt eine Kartoffelsuppe geschlürft, denn sie wurden ungefährt halbstündlich feucht abgewischt (nein wirklich, ich übertreibe nicht!!!).

Es gäbe noch viele ähnliche Geschichten von Roswitha zu erzählen, aber was ich eigentlich erzählen will ist folgendes: Eines Tages hat mich Roswitha unangemeldet besucht, d.h. ich hatte keine Zeit, um meine Wohnung einigermaßen in Ordnung zu bringen. Ich konnte nur noch schnell den Vorhang vor meine vollgestellte Abstellkammer ziehen und schon war Roswitha in der Wohnung. Sie stand also da mit ihren von den vielen Putzmitteln aufgeriebenen und ekzembedeckten Händen, hat sich umgeschaut (in diesem Moment habe ich eine riesige graue Spinnwebe direkt über ihr entdeckt....) und gesagt: "Ich wäre so gern wie du und würde liebend gerne den Dreck lassen können".

Ich war wirklich sprachlos, ich hatte mich nämlich schon im nachbarlichen Fegefeuer der Schmutzfinke mit anschließendem Höllenaufenthalt der Drecksäue gesehen. Aber weit gefehlt: Sie hat mich aus ganzem Herzen für meine Freiheit und Unabhängigkeit beneidet.

Ich habe seitdem viel dazu gelernt. Ganz im Sinne der Minimalisten räume ich jetzt immer (naja, fast immer) alles (naja, fast alles) sofort (naja, fast sofort) auf und dadurch wirkt mein Haus immer sauber. Ist es aber nicht mehr oder weniger als früher. Warum sollte ich dann noch so viel putzen? Schließlich haben wir keine Stauballergie und wie schon meine Oma sagte: "Dreck macht Speck" (und hält gesund). Wir haben keinerlei Allergien, Unverträglichkeiten, Asthma, Hautekzeme oder sonst was.

Warum erzähle ich das eigentlich alles? Ach ja, weil sich vorgestern im Büro eine Kollegin über die dreckigen Fenster beschwert und den Vorschlag gemacht hat, dass die Putzfrau alle vier Wochen die Fenster putzen soll. Ich, die ich nicht mal bemerkt habe, dass die Fenster kleine Wasserspuren haben: "Ach was, das ist doch nicht nötig, oder putzt du daheim etwa alle vier Wochen die Fenster?". Sie: "Ja selbstverständlich, das muss doch sein!"

Ich habe ungläubig geschwiegen und schweige heute noch ob der Sklaverei, der sich so viele Frauen freiwillig aussetzen. Ich stelle heute, einen Tag vor dem Weltfrauentag die Frage: "Warum tun sie das nur???????




2 Kommentare:

  1. ...da kann ich nur sagen: Es lebe die Freiheit! Die Freiheit, mit den Spinnweben in einem alten Haus zu leben. Die Freiheit, zu dem Staub auf der Fensterbank zu stehen. Die Freiheit, anstatt die Fenster schon wieder zu putzen, lieber mit einer Freundin bei einem Kaffee die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen im Cafe nebenan zu genießen.... in diesem Sinne, liebe Freya, lass uns das Leben genießen. Heute!

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  2. Ja liebe Anonyma, lass uns das Leben genießen. Sofort. Immer. Überall.

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